Fenster von Gerhard Richter
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Fenster von Gerhard Richter

Die Harmonie von Abstraktion und Bildhaftigkeit
– Fenster von Gerhard Richter

Dieser Mensch erscheint aus der Ferne irgendwie grenzenlos und mystisch. Sein Schaffen, seine Werke, die weltweit höchste Beachtung finden, wirken.
Gerhard Richter füllt seit Jahrzehnten Museen, Ausstellungen, zum Teil auch Kirchen mit seiner Schaffenskraft. In der ehemaligen Dominikanerkirche in Münster installiert er ein Pendel, welches im ersten Jahr 300.000 Menschen sehen. 

In Köln entwirft er im Jahr 2007 ein 106 Quadratmeter großes Südfenster und setzt darin 11.263 Farbquadrate in 72 Farben zusammen. Das ruhmreiche New Yorker Metropolitan Museum nimmt sich des Kölners an und hat sich in Manhattan and das „nahezu unmögliche Projekt gewagt, die komplizierte und facettenreiche Geschichte von Richters Arbeit zwischen 1957 und 2017″ (Monopol Magazin) zu erzählen. „Malerei an die Grenzen getrieben“, überschreibt es das in der Fachwelt bekannte Monopol Magazin. Aber dennoch grenzenlos. 

Die englische Zeitung „The Guardian“ nennt ihn den „Picasso des 21. Jahrhunderts“, laut Rheinischer Post ist er der angesehenste und erfolgreichste zeitgenössische Ma- ler“. Es zeugt schon von einer besonderen Fügung, dass ausgerechnet dieser Gerhard Richter der Abtei Tholey ein sprichwörtliches Denkmal setzt.

Er hat die drei großen Chorfenster gestiftet.  Groß, das bedeutet in Zahlen: 9,30 Meter hoch 1,95 Meter breit.  Sie finden sich im Osten der Kirche, im Altarraum, wo die Sonne aufgeht.  

Gerhard Richter ist in 1932 in Dresden geboren.  Er flüchtet 1961 aus der damaligen DDR nach West-Deutschland und setzt an der Kunstakademie Düsseldorf sein Kunststudium fort. Von 1971 bis 1993 arbeitet er als Professor für Malerei in Düsseldorf.  Sein Atelier in Köln, wo er mit seiner Ehefrau, der Malerin Sabine Moritz auch lebt, genießt einen Weltrang. Dort arbeitet er 2012 auch an einem Künstlerbuch namens „Patterns“ (Muster, Modell, Schema). Es gilt als Vorlage der Tholeyer  Chorfenster. Darin dokumentiert Richter sein Experiment, eine Reproduktion eines seiner Abstrakten Bilder“ in senkrechte Streifen zu zerlegen. 

Er zerlegt es erst in zwei, dann in vier – und am Ende in 4096 Streifen. Es scheint so, als sei eine unendliche Zerlegung möglich.  Allerdings wären die Streifen dann nur noch in der Vergrößerung sichtbar. An genau diesem Buch sitzt Richter gerade, als ihn ein Anruf aus dem Saarland erreicht. Bernhard Leonardy, Intendant der Musikfestspiele Saar, begnadeter Organist und Freund der Abtei, fragt an, ob er sich nicht vorstellen könne, in Tholey ein Fenster zu gestalten. 

Der Rheinischen Post erzählt Richter von diesem Momentum so: „Ich sagte: Ich bin gerade dabei‘ und wählte für Tholey die Motive, die ich vor mir hatte. Was ich allerdings nicht berücksichtigt hatte, war, dass ich von der Umsetzung von Grafik in Glasmalerei nichts verstehe. Da ich nicht wusste, was dabei herauskommen würde, habe gesagt: ‚Das macht Ihr auf Eure eigene Verantwortung‚ „ 

Die Abteikirche kennt er zu diesem Zeitpunkt nicht. Er sagt der Rheinischen Post auch, dass die stark farbigen rhythmischen Linien durch das Buch „Patterns“ entstanden seien. „Sie haben natürlich schon mit Gott zu tun, mit dem Wunsch, im Leben einen Sinn zu erkennen, eine Kirche zu bauen.“ 

Er habe die Fenster entworfen „zum Trost der Betrachter.“ Und Richter ergänzt im Interview später über Menschen und ihren Glauben: „Wir wissen ja nichts, deshalb glauben wir.“ Obwohl er aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist, bezeichnet er die Institution Kirche als „der beeutendste Spender von Heil und Trost.“ Er freut sich, dass er in Tholey etwas Längerfristiges erschaffen konnte. 

„In den heutigen Museen gibt es ja das Gefühl von Ewigkeit nicht mehr. Das ist alles bunt und munter und so weiter. Da ist eine Kirche ganz gut. Da macht es Freude, dass man etwas schafft, das ein wenig länger hält.“ 
Der Interviewer fragt zum Ende, was er sich wünschen würde und wie die Besucher seine Fenster finden mögen. Seine Antwort lautet schlichtweg „Schön“. 

Die Fenster stellen den Hintergrund für die ganze Liturgie in der Abteikirche dar. Gerade das letzte Geheimnis, das letzte Mysterium, ist nicht figürlich, sondern abstrakt dargestellt. Das passt : Denn es ist zutiefst christlich, dass wir in diesem Leben kein Bild von Gott haben.

Abt Mauritius Choriol sagt zu Richters Wirken in Tholey: „Wenn Sie im Diskurs mit anderen Religionen, anderen Konfessionen oder Atheisten die Frage nach der Vorstellung von Gott stellen, vielleicht auch nur als Hypothese, so wird man sich doch darauf einigen können: Wenn es so etwas wie Gott gibt, wäre es die höchste Harmonie, die höchste Perfektion, etwas Absolutes. Und das findet sich in dem Fenster durch Musik, Form und Farbe wieder.“